Thema 8: Partnerschaft

Q. Wilde Ehe

Uhr 46:10 Länge 2'46" Fulda

1. Sprecher:
Wilde Ehe, Ehe ohne Trauschein: Die deutsche Sprache diskriminiert Lebensgemeinschaften, die kein Standesbeamter abgestempelt kein Pfarrer abgesegnet hat. Auch deutsche Gesetze kennen nur die Ehe, sonst nichts, nur wenn der Staat Geld sparen kann. Dann sieht es ja etwas anders aus. Dann können nichtverheirate Partner plötzlich wie verheiratete Partner in die Pflicht genommen werden, seit heute ein Fall für das Bundesverfassungsgericht.

2. Sprecher: Für die einen ist das wie ein Traum in Weiß aus Tausendundeiner Nacht. Für die anderen ein wahrer Alptraum, gleichbedeutend mit dem Anfang vom Ende: die Hochzeit. Immer mehr Paare favorisieren deshalb die wilde Ehe. Allein in Deutschland dürften es inzwischen weit über zwei Millionen sein. Ihre Devise: zusammen lieben und leben ja, doch Hochzeitsmarsch und Trauschein, nein, danke.

Irmtraud Koch und Hans-Jürgen Schütz aus Hühnfeld bei Fulda: Seit fast vierzehn Jahren leben die beiden in einer
eheähnlichen Gemeinschaft, wie es auf Amtsdeutsch heißt. Sohn Tobias wurde vor elf Jahren geboren und machte aus dem Paar eine Familie, wenn auch nicht im Sinne des Gesetzes, denn dafür fehlt eben der Trauschein. Für Irmtraud Koch und ihren Partner eine bloße Formalität, auf die beide gern verzichten, auch wenn sie deshalb die Früchte steuerlicher Vorteile für Ehepaare nicht genießen können.

Umso erstaunter war die gelernte Krankenschwester, als sie feststellen mußte, daß der Staat sie auf einem anderen Gebiet finanziell behandelte, als sei sie verheiratet, zugunsten der Finanzkasse natürlich. Denn als sie 1985 nach längerer Arbeitslosigkeit auf Arbeitslosenhilfe angewiesen war, wurde das Einkommen ihres Partners wie bei Ehegatten angerechnet und in Abzug gebracht. Die Begründung: der gemeinsame Topf, aus dem auch in eheähnlichen Gemeinschaften gewirtschaftet würde.

Inntraud Koch: Ich fand's halt unverschämt, daß man keine steuerlichen Vorteile hat wie in einer Ehe, aber da ich dann Arbeitslosenhilfe bezogen habe, der Partner dann 'rangezogen wurde, mich mitzuunterstützen, und das hat DM 400,- im Monat ausgemacht, und das war sehr viel Geld für mich. So
...

Sprecher: Eine deutlich spürbare Ungleichbehandlung also, die sich Irrntraud Koch nicht gefallen lassen wollte. Das Arbeitsamt Fulda jedoch wies ihre Beschwerde gegen den gekürzten Bewilligungsbescheid mit Verweis auf die Regelung des Arbeitsförderungsgesetzes zurück. Der damaligen Arbeitslosenhilfempfängerin blieb nur der Gang zum Rechtsanwalt mit anschließender Klage vor dem Sozialgericht Fulda.

Ende '86 setzten dort die Sozialrichter das Verfahren aus und baten das Bundesverfassungsgericht um Klärung. Heute morgen nun--Justitias Mühlen mahlen bekanntlich langsam--traten die Karlsruher Verfassungshüter zusammen. Der erste Senat muß jetzt entscheiden, ob das Arbeitsförderungsgesetz in seiner Gleichstellung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit dem Grundgesetz vereinbar ist.