Thema 3: Das vereinigte Deutschland

F. Mietschulden

Uhr 13:17 Länge 3'12" Erfurt

Sprecher:
Vor dieser Frage haben immer mehr Mieter in den neuen Bundes1ändern Angst. In den Beratungsgesprächen bei den Mieterverbänden geht es immer häufiger urn Mietrückstände und darausfolgenden Räumungsklagen. Denn die Zahl derer, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können und deshalb konkret von Obdachlosigkeit bedroht sind, steigt.

Thomas Damm, Mieterbund Thüringen: Grundursache ist meines Erachtens eine Überschuldung bei vielen Familien durch Konsumentenkredite, wo einige einfach nicht bedacht haben, wie hoch die Miete hier ansteigen wird, auf der anderen Seite die zunehmende Arbeitslosigkeit. Die Haushalte haben einfach nicht berechnet, welche Belastungen auf sie zukommen werden. Insofern sind sie natürlich in guter Gesellschaft. Die Bundesregierung hat ja auch nicht erkannt, wie hoch die Belastung hier insgesamt werden wird.

Sprecher: Ein Beispiel dafür ist diese Erfurter Familie. Aus verständlichern Schamgefühl will sie nicht, daß wir ihre Gesichter zeigen oder ihren Namen nennen. Die Familie muß mit DM 1.200,-- monatlich auskommen, Umschulgeld, das der Vater vom Arbeitsamt bezieht.

Die Wohnung kostete nach der Wende etwa DM 120,-Warmmiete. Nach der Teilrenovierung verlangt der Vermieter jetzt über DM 700,--. Ob diese Erhöhung Rechtens ist, muß zwar noch vor Gericht geklärt werden, aber der Vermieter berechnet nach dieser Summe die Mietrückstände und will die Familie per Räumungsklage auf die Straße setzen.

Um einigermaßen über die Runden zu kommen, mußte die Familie bereits den Videorekorder und die Stereoanlage verkaufen. Für die Miete reichte es dennoch nicht. Dem Einkommen von DM 1.200,-- stehen hohe Fixkosten gegenüber: Miete, Kinderkrippe, Versicherungen und die Rate für den Kleinwagen, den die Mutter zum Aufbau einer neuen beruflichen Existenz braucht, belaufen sich auf DM 1.482, -. Darin ist noch keine Mark für den täglichen. Bedarf gerechnet. Besonders bitter ist für die Familie, daß sie unverschuldet in diese Situation geraten ist.

Frau: Ja, die ganze Geschichte hat damit angefangen, daß ich ein
Jahr auf dern Markt gearbeitet habe und mein damaliger Arbeitgeber mir--ah--mein Geld nicht gezahlt hat und es aber erst durch Prozeß--ah--ich dann das Geld bekommen habe, aber erst--aber auch nur ein Teil. Ich habe eben die Hälfte Verlust gemacht.

Sprecher: Jetzt kann nur noch das Sozialamt die Familie vor der Obdachlosigkeit bewahren. Nachdem ein Rechtsanwalt eingeschaltet wurde, hat sich das Amt bereit erklärt, den Mietrückstand auf Darlehensbasis zu übernehmen.

Die Familie ist kein Einzelfall. Erfurts größter Vermieter, die Kommunale Wohnungsgesellschaft, verwaltet 45.000 Wohnungen. Auch hier häufen sich die Mietschulden.

Interviewer: Können Sie denn Zahlen nennen, wieviele Mieter bei Ihnen im Mietrückstand sind?

Mitarbeiterin der Kommunalen Wofmungsgesellschaft: Wieviele Mieter nicht, aber ich kann Ihnen die Summe der Mietschulden sagen. Da sind etwa 7,5 Millionen Mietschulden bei einer monatlichen Sollmiete von 12 Millionen. Also das macht schon ganz schön was aus.

Sprecher: Bisher wurden durch die Kommunale Wohnungsgesellschaft 160 fristlose Kündigungen wegen Mietrückstands ausgesprochen. Bei den privaten Vermietern dürften es wegen der höheren Mieten entsprechend mehr sein. Für das Problem der Mietrückstände ist zur Zeit keine Lösung in Sicht. Im Gegenteil: im Januar werden die Grundmieten in Ostdeutschland generell erhöht, und dann werden noch weniger ihre Miete aufbringen können.