Thema
4: Gleichberechtigung
I. Handwerk
Uhr
21-35 Länge 2'52" Trappenkamp
Sprecher: Nein, dies sind keine Walkürenhände, und Gudrun Tischler
ist auch kein Mannweib, selbst wenn sie einen der männlichsten Berufe überhaupt
ausübt. Ihr Erfolg beweist, daß der Umgang mit Glut, Eisen und Feuer
längst keine Männerdomäne mehr ist.
Gudrun Tischler: Das Interessante beim Schmieden ist, wenn man dieses
starre Ausgangsmaterial sieht, was unter Benutzung von Feuer, Amboß und
Hammer und seiner eigenen Kraft letztendlich entsteht, und wie sich das Material
wie Knete verformen läßt.
Sprecher: Ob schwerer Gartenzaun oder nur eine Maus aus Eisen, jedes
Stück aus der Schmiedewerkstatt trägt die Handschrift der Schmiedin,
mit Hammerschlägen geformt wie vor tausend Jahren. Doch heute können
manche Kunden Fertigprodukte aus der Fabrik schon nicht mehr von handgeschmiedetem
Eisen unterscheiden. Der uralten Zunft droht, in Vergessenheit zu geraten.
Aufklärungsarbeit auf dem Handwerkermarkt: zumindest als Lehrberuf ist
der Schmied bereits seit über drei Jahren ausgestorben. Als Vorsitzende
des internationalen Fachverbandes Gestaltender Schmiede, will Gudrun Tischler
jetzt ihren Berufskollegen zu neuem Ansehen verhelfen, die Tradition erhalten.
Gudrun Tischler: Also, ich stamme aus einer alten Schmiedefamilie. Inzwischen
bin ich in der fünften Generation als Schmied tätig. Gelernt habe
ich bei meinem Vater. Na ja, und wäre nicht schlecht, wenn einer von meinen
Söhnen vielleicht die Tradition fortführen würde.
Sprecher: Ein wahrer Familienbetrieb: die Schmiedemeisterin mit ihrem
Mann und Mitarbeiter in der eigenen Werkstatt. Kennengelernt haben sie sich
im Betrieb des Vaters.
Ein Gartentor mit reichen Verzierungen soll hier entstehen, fünf Wochen
Arbeit haben die Tischlers dafür angesetzt. jeder Stab wird einzeln geformt;
jede Rosette von Hand geschlagen. Ihren Meisterbrief hat Gudrun Tischler seit
fast zwanzig Jahren, und doch erntet sie mittlerweile immer noch ungläubiges
Staunen, wenn das Gespräch auf ihren Beruf kommt.
Gudrun Tischlen ja, erst fragen sie, wie kommt man dazu, und braucht
man nicht viel Kraft, und wie können Sie das denn
überhaupt? Und--ehm--na ja, so irgendwo, so--so'nen Moment, wo sie alle
erst mal gucken und auch die Muskeln sehen wollen und die Hände fühlen,
wie stark die sind, und das will man natürlich als Erstes immer dann sehen,
nä?
Sprecher: Eine ebenso ungewöhnliche wie erfolgreiche Frau. Ihr Sport
ist eine noch ältere Kunst als das Schmieden. Gudrun Tischler ist begeisterte
Bogenschützin--und insgeheim womöglich doch eine Walküre?