Thema 7: Multikulturelle Gesellschaft

N. Ausländerfeindlichkeit

Uhr 35:54 Länge 4'59" Mölln

Frank Beckmann: Hallo bei logo! Rostock, Hoyerswerda und Hünxa, all das sind Namen von Städten, in denen Ausländer angegriffen und verletzt worden sind. Wegen der Grausamkeit weniger Menschen sind diese Städte seitdem zum Symbol für die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland geworden. Vor zwei Tagen kam ein neuer Name dazu: Mölln in Schleswig-Holstein. Bei einem Brandanschlag wurden dort drei Menschen getötet. Das jüngste Opfer war ein zehnjähriges türkisches Mädchen.

Sprecherin. Nach den Anschlägen am Montag ist die brutale Tat überall Thema Nummer 1. In diesem Haus sind die drei Menschen verbrannt. Rechtsradikale hatten sich hinterher zu dem Brandanschlag bekannt. Die Politiker sind ratlos und bedrückt. Sie wissen nicht, was sie tun sollen, gegen so viel Feigheit und Hinterhältigkeit.

Am Abend legen Freundinnen der toten Mädchen Blumen vor dem Haus nieder.

Mädchen: Sie hieß Yeliz und war eine Freundin von unserer kleinen Schwester. Die sind mies, die Typen, die das gemacht haben. Sie wissen gar nicht--ah--ich glaube, die wissen gar nicht, was sie getan haben.

1. Frauenstimme: Man schämt sich ja schon, wenn man zu Hause ist hier.

2. Frauenstimme: ja.

Männerstimme: Ich bin traurig, Deutscher zu sein.

Sprecherin: Die Möllner Mitbürger zeigen ihren Schmerz und trösten die Hinterbliebenen der Opfer. Die Türken in Mölln leben zum Teil schon seit mehr als 25 Jahren in der Stadt. Sie gehören dazu, haben Freunde und Arbeit hier.

Die Polizei verteilt Flugblätter, auf denen steht, daß eine Belohnung ausgesetzt ist. Jeder soll mithelfen, die Mörder und Brandstifter zu finden.

Frank Beckmann: Bis jetzt gibt es aber noch keine Spur von den Mördern. Alle Welt ist von dieser Tat entsetzt. Im Ausland fragt man sich, was ist los mit den Deutschen, warum kriegen sie die Gewalt gegen die Ausländer nicht in den Griff? Besonders erschüttert sind viele Bürger aus Mölln, der Stadt also, in der das grausame Verbrechen begangen wurde. logo war heute dort.

Sprecher: Schulbeginn in Mölln an der Till-Eulenspiegel-Grundschule, die Klasse 2c auf dem Weg in den Unterricht. Es sieht fast aus wie normaler Unterricht, aber hier ist nicht so wie früher, denn eine Mitschülerin fehlt für immer: die zehnjährige Yeliz, die Sonntag nacht verbrannte. Alle können es noch nicht glauben.

1. Mädchen: Ich habe nur geheult. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, und ich hab' die ganze Zeit an Yeliz gedacht.

2. Mädchen: Ich hatte auch die ganze Zeit an Yeliz gedacht, und meine Mutter war da drüber auch traurig.

3. Mädchen: Ah--da hab' ich immer gedacht, daß sie immer wieder kommt, daß sie gar nicht tot ist. Das habe ich nicht geglaubt. Aber dann hab' ich es ja in der Tagesschau gehört, und dann--und dann--und--ja, und dann hab' ich ganz doll geweint, und meine Mama hat mich ganz doll getröstet.

Sprecher: Um überhaupt etwas zu machen, hat die Klasse gestern gemalt, was sie über den Tod von Yeliz fühlt.

Währenddessen versammeln sich die türkischen Kinder der Altstadt, geschützt von einigen Erwachsenen, um dann zusammen zum Schweigemarsch der Schulen zu gehen. In den Unterricht gehen die türkischen Kinder noch nicht. Zu groß sind noch Schock und Angst.

1. Junge. Dann hab' ich Angst gekriegt. Dann hab' ich gedacht, daß uns auch so passiert.

2. Junge: Ich bin seit elf Jahren hier, und es ist nichts passiert. Also, nichts.

3. Junge: Ich bin hier auch geboren.

2. Junge: Wir alle sind hier geboren.

1. Junge: Alle geboren. Und nichts--jetzt nicht ge--nichts geworden, aber bis jetzt ist heute schlimm.

Interviewen Glaubt ihr denn, daß ihr in Deutschland noch groß werden könnt?

1. Junge: Nein. Hier nicht.

2. Junge: Türkei, bestimmt.

1. Junge: Türkei, ja ...

2. Junge: In der Türkei, aber hier nicht.

Sprecher: Wenn sich nicht doch noch was ändert, sagen sie mir später. Aber im Augenblick können sie daran nicht glauben.

Noch einmal gehen sie zum Haus in der Mühlenstraße, um Blumen niederzulegen. Und noch immer können sie es nicht fassen. Schlafen, das fällt allen hier immer noch schwer. Die ganze Nacht halten einige Wache.

Trotzdem, auch wenn es schwerfällt: sie schließen sich dann später dem Schweigemarsch der Möllner Schüler an. Alle Schüler aus Mölln, aus allen Schulen, 1.300 insgesamt, haben sich zusammengefunden, um gegen den Terror zu protestieren.

Frank Beckmann: Schlimm, was in Mölln passiert ist. Redet ihr eigentlich in eurer Klasse über dieses Thema, oder habt ihr eine Idee, was man gegen die Ausländerfeindlichkeit tun kann? Dann ruft uns an. Unsere Telefonnummer: 06131 / 706123. Ihr könnt uns aber auch schreiben. Unsere Adresse: ZDF, Redaktion logo, Postfach 4040, in W-6500 Mainz. Und noch einmal: ZDF, Redaktion logo, Postfach 4040, in 6500 Mainz.